Reform, Revolution und Sozialismus

“Eure Ordnung ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon rasselnd wieder in die Höh’ richten und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!”

– Rosa Luxemburg


Egal wo man hinschaut, überall ist offensichtlich, dass unsere Welt vor die Hunde geht. Kaum jemand glaubt noch an eine bessere Zukunft oder, dass es der nächsten Generation noch einmal besser gehen wird als uns, im Gegenteil: Viele fragen sich, ob die Zukunft überhaupt noch lebenswert sein wird. Viele Menschen, vielleicht auch du, spüren, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Doch was fehlt, ist die Hoffnung, dass eine grundlegende Alternative zum Kapitalismus und damit eine bessere Welt möglich ist. Und kaum jemand glaubt, überhaupt etwas an den bestehenden Verhältnissen ändern zu können. Wir dagegen sind überzeugt: Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte. Eine bessere Welt ist möglich. Doch wie könnte diese Alternative aussehen? Wie kommen wir dorthin? Braucht es dazu wirklich eine Revolution oder reichen schrittweise Reformen nicht völlig aus?
Wir sind nicht prinzipiell gegen Reformen. Durch harte und oft blutige Klassenkämpfe konnten in begrenztem Maße soziale Verbesserungen für die Arbeiter:innen erkämpft und ihr politischer Handlungsspielraum verbessert werden. Der Kampf um Reformen kann das Klassenbewusstsein schärfen und den Arbeiter:innen klar machen, dass es sich lohnt, kollektiv als Klasse für die eigenen Interessen zu kämpfen und dass die Verhältnisse veränderbar sind. Reformen alleine können den unversöhnlichen Grundwiderspruch zwischen Kapitalist:innen und Arbeiter:innen jedoch nicht aufheben, der wie ein tiefer Riss nach wie vor die kapitalistische Klassengesellschaft durchzieht. Denn Reformen tasten den heiligen Grundpfeiler des Kapitalismus nicht an, der die Herrschaft der Kapitalist:innen über die Arbeiter:innen begründet: Das Privateigentum an Produktionsmitteln. Solange dieses Privateigentum und das daraus resultierende Ausbeutungsverhältnis weiterhin besteht, bedeutet das die Klassenspaltung der Gesellschaft in Ausbeuter:innen und Ausgebeutete und zwangsläufig ständige Angst der Arbeiter:innen um ihre ökonomische Existenz. Denn alle noch so kleinen, hart erkämpften sozialen Verbesserungen und Rechte stehen immer unter dem Vorbehalt, durch Gegenoffensiven der Kapitalist:innen rückgängig gemacht zu werden. So wurden im Zuge der Neoliberalismus auch in der BRD unter Rot-Grün mit der Agenda 2010 und den Hartz Reformen soziale Errungenschaften zurück gedrängt, Arbeiter:innenrechte ausgehöhlt, die Gewerkschaften geschwächt und Reiche sowie Konzerne mit Steuergeschenken überschüttet, während der Niedriglohnsektor explodierte und die Löhne der Arbeiter:innen sanken. Auch heute wird von Kapitalverbänden die Einschränkung des Streikrechts forciert und es droht weiterer Sozialabbau. Reformen dienten zudem historisch auch immer dazu, revolutionäre Bestrebun- gen einzuhegen und ins System zu integrieren.

Um die absolute Mehrheit der Gesellschaft – die Arbeiter:innenklasse – von diesen ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien und ihr ein langfristig gutes Leben zu ermöglichen, braucht es eine grundlegende Umwälzung der bestehenden Eigentumsverhältnisse. Die Kapitalist:innen müssen entmachtet und ihre Produktionsmittel unter demokratische Kontrolle durch die Arbeiter:innenklasse gestellt werden, um eine bedürfnisorientierte und sozialistische Wirtschaftsordnung aufzubauen. Doch die herrschende Klasse wird nicht freiwillig ihre Profite und ihre Macht aufgeben, erst Recht nicht auf parlamentarischem Wege. Sie wird notfalls auf ihre staatlichen Institutionen und Repressionsorgane zurückgreifen oder auf eine faschistische Diktatur setzen, um die revolutionäre Bewegung mit Gewalt zu unterdrücken, wie das historisch immer der Fall war. Deshalb müssen die Arbeiter:innen verbunden mit ihrer revolutionären Arbeiter:innenpartei die bestehenden bürgerlichen Staatsorgane durch eigene staatliche Organe der Arbeiter:innenmacht ersetzen, um die sozialistische Revolution zu verteidigen.
In diesem sozialistischen Staat wird die absolute Mehrheit, die der arbeitenden Bevölkerung, die Herrschaft ausüben und die sozialistische Demokratie aufbauen, die wirklich die Interessen der Mehrheit vertritt. Wie genau sich diese sozialistische Gesellschaft organisieren wird und wie ihre politische Ordnung im Detail aussehen wird, wird ein Prozess sein, den wir gemeinsam gestalten werden. Dieser Weg wird von den konkreten materiellen Bedingungen und der Härte des Klassenkampfes abhängen. Die beschriebenen Grundmerkmale dieser sozialistischen Gesellschaftsordnung werden uns dabei in die Lage versetzen, die gegenwärtigen kapitalistischen Grundübel zu überwinden.

So wird die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft. Alle wichtigen Produktionsmittel werden sich in Gemeineigentum befinden und die wirtschaftlichen Überschüsse werden gesamtgesellschaftlich angeeignet, um planmäßig die Bedürfnisse in der Gesellschaft zu befriedigen. Alle zentralen wirtschaftlichen Entscheidungen, wie und was wir eigentlich produzieren wollen, können nun erstmals demokratisch entschieden werden. Wohnen wäre keine Ware mehr, sondern ein Grundrecht. Denn die Häuser gehören denen, die drin wohnen. Krankenhäuser wären keine Profitmaschinen voller ausgebrannter Pfleger:innen mehr, sondern gut ausgestattete Einrichtungen für alle. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die Vergesellschaftung der Kindererziehung sowie der Haus- und Sorgearbeit würden unter anderem die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen stärken und damit den Grundstein für ihre Befreiung legen.

Ein umfassender ökologischer Umbau der Wirtschaft und des Verkehrswesens, echter Klimaschutz statt Symbolpolitik wären möglich, da sie nicht mehr am Widerstand von Konzernen und Profitstreben scheitern würden. Die Errungenschaften der Automatisierung und Digitalisierung könnten dafür genutzt werden, die Arbeitszeiten radikal zu verkürzen. Wir hätten mehr Zeit für unsere Freund:innen, unsere Familien oder die Dinge, die uns wirklich Spaß machen im Leben. Alle notwendige Arbeit ließe sich dadurch gerecht verteilen, niemand müsste arbeitslos sein. Kein Mensch auf dieser Welt müsste mehr an Hunger oder heilbaren Krankheiten sterben. Dazu gilt es, aus vergangenen sozialistischen Aufbauversuchen zu lernen – im Guten wie im Schlechten. Ohne Dämonisierung aber auch ohne Romantisierung müssen wir uns differenziert und schonungslos mit begangenen Fehlern und den Gründen für das Scheitern auseinandersetzen, um einen neuen und vor allem erfolgreichen sozialistischen Aufbruch zu wagen. Doch mit unserem heutigen Wissen, den heutigen viel besseren ökonomischen Ausgangsbedingungen und vor allem den neusten technischen Möglichkeiten im Bereich der Digitalisierung sind wir so gut wie noch nie in der Lage, einen effizienten und modernen Sozialismus aufzubauen. Das alles ist keine naive Träumerei. Wir sind heute objektiv dazu in der Lage, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Doch dafür müssen wir uns organisieren und kämpfen. Diese Welt wird unser sein, wenn wir sie uns nehmen.

Der Sozialismus kommt nicht von alleine. Wir müssen ihn erkämpfen!