Kein Tag zum Feiern – Jahrestag des Anschlusses der DDR an die BRD

„Immer noch schreibt der Sieger die Geschichte des Besiegten. Dem Erschlagenen entstellt der Schläger die Züge. Aus der Welt geht der Schwächere und zurück bleibt die Lüge.“

Berthold Brecht in “Das Verhör des Lukullus“

Vor 33 Jahren vollzog sich die sogenannte „Wiedervereinigung“ der DDR und der BRD, die heute als „Tag der deutschen Einheit“ gefeiert wird. In schwarz-rot-goldener Besoffenheit wird dieser Tag als angeblicher „Sieg der Demokratie“ im Zeichen einer „nationalen Einheit“ verklärt, doch wir sagen: Es gibt nichts zu feiern.

Was anfangs in der DDR als Volksbewegung für mehr Mitbestimmung und Reformen begann, endete wenig später in der Einverleibung der DDR durch die BRD, die mit massiven sozialen Folgen für die ostdeutsche Arbeiter:innenklasse einherging. Statt „blühender Landschaften“ (Helmut Kohl) folgte im Zuge der räuberischen Treuhand-Politik die vollständige Zerstörung der DDR-Industrie durch ihren Ausverkauf an westdeutsche Kapitalist:innen, die Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme, erstmals Massenarbeitslosigkeit und massenhafte Verelendung breiter Bevölkerungsteile in Ostdeutschland. Auch die Lage der Frau verschlechterte sich durch die Übernahme des BRD-Paragraphen 218, der Abtreibungen unter Strafe stellt. Im nationalistischen Rausch explodierte zudem die rassistische Gewalt in den Jahren darauf in ganz Deutschland, während sich im Osten faschistische Gruppen unter Beteiligung westdeutscher Neonazi-Kader ungehindert ausbreiten konnten, die nun die Wut vieler Ostdeutscher ausschlachteten. Die Folgen sind bis heute spürbar: Sie drücken sich in weit verbreiteter Wut und Misstrauen gegen die herrschende Politik aus, von der aktuell vor allem die AfD profitieren kann.

Eine komplexe und umfangreiche marxistische Analyse der 40-järigen DDR-Geschichte und ihres Untergangs würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Wichtig wäre dennoch zu nennen, dass die SED Führung gegen Ende zunehmend ihre Führungsrolle eingebüßt hat, indem sie das Vertrauen der großen Mehrheit der Arbeiter:innenklasse verspielte. Autoritär-bürokratische Entscheidungsprozesse begünstigten die Entfremdung zwischen der SED und der arbeitenden Bevölkerung, gleichzeitig breiteten sich auch revisionistische Tendenzen in der Führung aus, die marxistische Grundpositionen aufweichten. Neben den ökonomischen Problemen, die auch mit den schwierigen Ausgangsbedingungen der DDR in der Nachkriegszeit und den Entwicklungen in der Sowjetunion zusammenhingen, trug dies zum Untergang der DDR bei.

Für uns gilt, aus den Erfahrungen der DDR zu lernen – im Guten wie im Schlechten. Ohne Dämonisierung, aber auch ohne Romantisierung müssen wir uns differenziert und schonungslos mit begangenen Fehlern, Verbrechen und den Gründen für das Scheitern auseinandersetzen, um einen neuen und vor allem erfolgreichen sozialistischen Aufbruch zu wagen. Doch mit unserem heutigen Wissen, den heutigen viel besseren ökonomischen Ausgangsbedingungen und vor allem den neusten technischen Möglichkeiten im Bereich der Digitalisierung, sind wir so gut wie noch nie in der Lage, einen effizienten und modernen Sozialismus aufzubauen. Das alles ist keine naive Träumerei. Wir sind heute objektiv dazu in der Lage, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Doch dafür müssen wir uns organisieren und kämpfen. Diese Welt wird unser sein, wenn wir sie uns nehmen.