Kein „Freund“ und kein „Helfer“ – Die Polizei im bürgerlichen Staat

Sie sind in jeder Stadt, auf jeder Demonstration, manch eine:r hat vielleicht auch eine:n im Freundeskreis oder in der Familie. Manchmal grüßen sie freundlich im Vorbeigehen, öfter prügeln sie auf Menschen ein: Die Polizei. Wenn man sich fragt wozu es die Polizei gibt, hört man in der Regel Begründungen wie „sie sorgt für Ordnung“, „sie passt auf“ oder „sie hilft in der Not“. Das Bild des „Freund und Helfers“ ist weit verbreitet und auch in linken Kreisen wird häufig darauf verwiesen, dass es zwar ein paar üble Kerle bei der Polizei gibt, aber man da mit ein paar Reformen schon Ordnung rein bringen kann. Aber wozu gibt es die Polizei denn? Und für was für eine Ordnung sorgen sie?

In unserer Gesellschaft gelten gewisse Regeln, Gesetze und Vorschriften. Einige davon sind sicher sinnvoll, wie z.B. dass man mit dem Auto auf der rechten Straßenseite fährt und nur links überholt. Die grundlegende Verfasstheit unseres Rechtssystems zielt aber in aller erster Linie darauf ab, die Gesellschaft und ihre ökonomische und politische Struktur zu stabilisieren und gegen Widerstand durchzusetzen. Dazu gehört ganz grundsätzlich das Recht auf Privateigentum an Produktionsmitteln und die Funktion gewisser politischen Institutionen aber z.B. auch das Verbot eines politischen Generalstreiks.

Diese Gesetze müssen durchgesetzt werden. Dafür gibt es die Polizei und genau dafür wurde sie gegründet. Als in Europa mit dem Aufkommen des Kapitalismus und der Industrialisierung im 17. und 18. Jahrhundert in den Städten immer mehr Menschen verarmten und Arbeiter:innen begannen, für mehr Lohn zu streiken, richteten die Herrschenden Polizeiapparate ein und erließen dementsprechende Gesetzte.

Auch heute hat sich bei allen Reformen und Funktionsanpassungen am Polizeiwesen grundsätzlich nichts verändert. Noch immer ist es die Polizei, die Wohnungslose aus U-Bahnhöfen schmeißt, noch immer ist es die Polizei, die wilde Streiks und linke Demonstrationen  ​​​​​​​niederknüppelt und noch immer ist es die Polizei, aus der sich immer wieder faschistische Zellen herausbilden, die Waffen horten. Und sie wird es auch sein, die Arbeiter:innen in einer revolutionären Situation mit Gewalt daran hindern wird, ihre Betriebe in Besitz zu nehmen und sie den Kapitalist:innen zu entreißen.

Auch die rassistische Polizeigewalt lässt sich in den historischen Kontext einordnen. In deutschen Kolonien galten für Deutsche grundsätzlich andere Gesetze als für die kolonisierte Bevölkerung. Strafen wie Kettenhaft und die Todesstrafe, die es in Europa zwar noch gab, aber rückläufig waren, wurden hier massenhaft gegen diejenigen eingesetzt, die sich der Kolonisierung und dem Arbeitszwang widersetzten. Hierfür gab es eine eigene Polizeibehörde, die diese Verhältnisse durchsetzte. Sie überwachten und bestraften nicht nur, sondern waren auch dazu da, entflohene Menschen zu jagen und mit Gewalt zurück in die Ausbeutung zu bringen.

Parallel dazu wurden in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert besonders als fremd markierte Gruppen, wie Sinti:zze und Rom:nja als „Sicherheitsbedrohung“ dargestellt und bekämpft. Aufgrund ihrer Lebensweise ohne festen Wohnsitz, die die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft erschwerte, wurden sie von der Polizei verfolgt. Ebenso waren und sind es besonders migrantische Menschen, die durch einen scheinbar kausalen Zusammenhang von Herkunft und Kriminalität besonders stark im Fokus der Polizei stehen.

Heute sehen wir, wie sich diese Tradition fortsetzt. Racial profiling, rassistische Abschiebungspraxis, regelmäßige Ermordungen rassifizierter Menschen durch die Polizei. Wir sehen sie in der besonderen Verfolgung von z.B. der kurdischen und der palästinensischen Bewegung. Wir sehen sie in den Diskursen über Clankriminalität oder in der Inszenierung von Shisha-Bars als kriminelle Orte, was in Hanau mitverantwortlich dafür war, dass ein Faschist neun migrantische Menschen ermorden konnte. All das ist kein Fehler im System, sondern elementarer Bestandteil des Systems. Die Polizei erfüllt die Funktion, die Ausbeutung fortzusetzen und Widerstände dagegen zu brechen.

Die einzelnen Polizist:innen mögen das anders wahrnehmen. Das ist nicht verwunderlich. Innerhalb der Behörden herrscht ähnlich wie im Militär ein gewisser Korpsgeist, der durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl Befehlsverweigerung und mögliche ethische Bedenken bis hin zu internen Beschwerden als Verrat deklariert. Auf der anderen Seite legt die Polizei in Deutschland großen Wert darauf, nach außen hin möglichst modern und divers aufzutreten. Auch wenn der Anteil an migrantischen oder queeren Polizist:innen steigt, ändert das nichts an ihrer Funktion und ihrer Arbeitsweise. Sie täuschen darüber hinweg, dass die Polizei die Institution ist, die mit Gewalt die herrschende Ordnung durchsetzt.

Die Frage ist nicht, ob ein:e Polizist:in moralisch gut oder schlecht ist, ob er:sie ein ehrlich mitfühlender oder gewaltgeiler, autoritärer Mensch ist, ob er:sie privat an Hilfsorganisationen oder an die NPD spendet. Die Frage ist, welche Interessen setzt sie durch. Man kann ein guter Mensch sein, aber man kann kein:e gute:r Polizist:in sein. Die Polizei ist weder Freund noch Helfer, sie ist der bewaffnete Arm der herrschenden Klasse. Sie erhält die herrschende Ordnung aufrecht, die uns Tag für Tag niederdrückt.

Wenn wir für eine befreite Gesellschaft kämpfen wollen, wird es unter anderem die Polizei sein, die genau das verhindern wollen wird, dass diese Polizei genau das verhindern wollen wird. In unserem Streben nach einer Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung kann sie deshalb kein Verbündeter sein. Der Aufbau des Sozialismus muss daher mit der Schaffung von neuen Institutionen revolutionärer Gegenmacht einhergehen, die der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innen unterliegen und erstmals wirklich ihre Interessen verteidigen.