100. Todestag von Lenin

Unsere Theorie ist kein Dogma, sondern eine Anleitung zum Handeln

– Lenin

Heute vor 100 Jahren, am 21. Januar 1924, ist der kommunistische Revolutionär und Anführer der russischen Oktoberrevolution Lenin – nach mehreren Schlaganfällen mit nur 53 Jahren verstorben. Geboren wurde er am 22. April 1870 in Simbirsk als Wladimir Iljitsch Uljanow. Seine engste Familie bestand trotz hoher gesellschaftlicher Stellung aus sozial und kulturell engagierten Menschen, sodass auch er sehr schnell zu einem entschiedenen Gegner des von feudalen Großgrundbesitzern verursachten Massenelends im rückständigen Russland war.

Seine Abneigung gegen den Zarismus nahm eine neue Qualität an, nachdem sein Bruder Alexander im Alter von 21 Jahren verhaftet und zum Tode verurteilt wurde, weil dieser als Mitglied einer anarchistischen Gruppe ein Attentat auf die Zarenfamilie plante. Lenin war voller Schmerz über den Verlust seines Bruders, aber gleichzeitig auch voller Tatendrang, da er das politische Anliegen Alexanders nachvollziehen konnte. Auf der Suche nach dementsprechenden neuen strategischen Ansätzen studierte er nun die bedeutendsten revolutionären Schriften seiner Zeit, was ihn zum Hauptwerk von Karl Marx – “Das Kapital” – führte. Dabei begreift er, dass die Arbeiter:innenklasse aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung im Produktionsverhältnis die einzig konsequent revolutionäre Kraft bildet. Schnell fasst er den Entschluss, ins industrielle Zentrum St. Petersburg umzusiedeln, um sich dort für den Zusammenschluss von zwanzig bereits bestehenden Arbeiterzirkeln zu engagieren und einen Kampfbund zur Befreiung der Arbeiter:innenklasse zu konstituieren. Dies wird von den Herrschenden verfolgt und mit Gefängnis und sibirischer Verbannung bestraft, sodass einige Jahre Aufenthalt im Exil notwendig wurden.

In all den Ländern, in denen er sich zu dieser Zeit aufhielt, suchte Lenin den Kontakt zu revolutionären Parteien und Organisationen, doch sein Hauptaugenmerk lag weiterhin auf dem Parteiaufbau in Russland. So ist es keine Überraschung, dass er starkes Interesse an der 1898 gegründeten sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDARP) hatte und als Mitglied eine prägende Figur des 2. Parteitags im Jahr 1903 war. In prinzipiellen Auseinandersetzungen um den Parteiaufbau stellte sich Lenin konsequent gegen bürgerliche Einflüsse und verteidigte damit die führende revolutionäre Rolle der Arbeiter:innenklasse, die von opportunistischen Teilen der Partei in Form von einer Bündnispolitik mit der (klein-)bürgerlichen Intelligenz infrage gestellt wurde. Die Mehrheit der Mitglieder positionierte sich nun als Fraktion der “Bolschewiki” hinter Lenin.

In einer seiner zentralen Schriften – “Was tun?” – entwickelte Lenin die Konzeption der revolutionären Arbeiter:innenpartei als Kampfpartei; betont er die ausschlaggebende Bedeutung der Einheit von Theorie und Praxis und stellt fest, “dass die Rolle des Vorkämpfers nur eine Partei erfüllen kann, die von einer fortgeschrittenen Theorie geleitet wird”. Entgegen den Einflüssen positivistischer Theorien und auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verfasste Lenin sein philosophisches Hauptwerk Materialismus und Empiriokritizismus”, in dem er die Konzepte des historischen und dialektischen Materialismus von Marx und Engels verteidigte und weiterentwickelte. Darauf basierend analysierte er das politische Weltgeschehen, woraufhin er folgende grundlegenden Prinzipien für die revolutionäre kommunistische Kampfpartei erarbeitete: So müsse die politische Arbeit auf der Grundlage einer klaren ideologischpolitischen Linie und im Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus erfolgen, welcher die demokratische Initiative aller Parteimitglieder mit dem einheitlichen Handeln der Partei vereint. Die Losung Kampfpartei statt Wahlpartei” ist dabei so zu verstehen, dass die politische Aktivität jedes Parteimitglieds Voraussetzung ist, um eine kollektive Analyse und Beschlussfassung sowie eine systematische Umsetzung und Kontrolle dessen zu ermöglichen. Das drückt sich auch in klar bestimmten Aufgabenstellungen für rechenschaftspflichtige und kollektive Führungsgremien der Partei aus, die sich zum Ziel setzen sollte, überwiegend durch kommunistische Betriebs– und Gewerkschaftsarbeit weite Teile der Arbeiter:innenklasse zu agitieren.

Mit diesen ideologischen Grundsätzen bewaffnet und den Aufbau einer Kampfpartei neuen Typs fokussierend, grenzten sich die “Bolschewiki” von den “Menschewiki”, der Minderheit innerhalb der Partei, ab. 1912 konstituierten sie sich als eigenständige Partei, die aus ihrem internationalistischen Selbstverständnis heraus auch Teil der 2. Internationalen war – eines internationalen Zusammenschlusses verschiedener revolutionärer Arbeiter:innenparteien und –organisationen. Als mit Beginn des ersten Weltkrieges im Jahr 1914 einige derer Mitglieder sich auf die Seite ihrer kriegsführenden nationalen Herrschenden schlugen und somit Klassenverrat ausübten – zu nennen ist hier die deutsche SPD – verließ man diesen Zusammenschluss mit der Losung: “Krieg dem imperialistischen Krieg!”. Theoretisch untermauerte Lenin diese Entscheidung mit seiner Schrift “Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus.” Dort charakterisiert er den Imperialismus anhand der Herausbildung von Monopolen sowie der Verschmelzung von Industrie– und Bankkapital zum herrschenden Finanzkapital. Er beschreibt, dass dann der Kapitalexport gegenüber dem Warenexport eine beherrschende Stellung in der Ökonomie des jeweiligen Staates einnimmt und erläutert die Herausbildung internationaler kapitalistischer Monopolverbände, die schließlich die territoriale Aufteilung der Welt unter imperialistischen Großmächten vorantreibt. Somit bedeutet Imperialismus eine reaktionäre, arbeiter:innenfeindliche Politik nach innen und Weltmachtstreben in Form von Aggression nach Außen. Lenin schlussfolgert: “Die Ungleichmäßigkeit dieser Verteilung, die Ungleichmäßigkeit seiner Entwicklung – das sind die Ergebnisse des modernen Kapitalismus im Weltmaßstab. Und diese Ergebnisse zeigen, dass auf einer solchen wirtschaftlichen Grundlage, solange das Privateigentum an den Produktionsmitteln besteht, imperialistische Kriege absolut unvermeidlich sind.”

1917 verfasste Lenin in der Illegalität mit “Staat und Revolution” ein weiteres seiner zentralen Werke. Basierend auf den entsprechenden Ausführungen von Marx und Engels untersucht er darin das Wesen des bürgerlichen Staates, den er als “besondere Machtorganisation, eine Organisation der Gewalt zur Unterdrückung einer Klasse” beschreibt, der also das Produkt der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze sei. Lenin weiter: “Welche Klasse aber muss vom Proletariat unterdrückt werden? Natürlich nur die Ausbeuterklasse, d.h. die Bourgeoisie.” Er führt aus, dass es kein reformistisches Hineinwachsen in den Sozialismus geben kann, sondern die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats notwendig ist, um die “Diktatur des Kapitals” durch die “Diktatur des Proletariats” zu ersetzen und somit neue staatliche Institutionen aufzubauen, die den eigenen Interessen – denen der Arbeiter:innen und ihrer Verbündeten – dienen und diese auch verteidigen können. Diese sozialistische Gesellschaftsordnung stellt dann die Übergangsphase zur klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft dar.

Wenige Wochen später war es dann so weit: Unter Führung Lenins, aber als Werk der aufständischen Massen, vollzog sich die Oktoberrevolution, die die bürgerliche Regierung stürzte und den Aufbau des Sozialismus begann: Dazu zählt die Beendigung des imperialistischen Kriegs, die Enteignung der Großgrundbesitzer:innen und Kapitalist:innen, die Kontrolle der Arbeiter:innen über die Produktion und die Bildung der Sowjetregierung. Durch revolutionäre Maßnahmen wie die Trennung von Staat und Kirche, die Gleichstellung aller Nationalitäten, die Aufhebung der feudalen Ehe- und Familiengesetze, die Aufhebung des Verbots von Homosexualität, die Einführung des Mutterschutzes oder die Einführung des generellen 8-Stunden-Arbeitstags wurden maßgebliche Verbesserungen für die Arbeiter:innen, Frauen und alle weiteren Unterdrückten des ehemaligen Zarenreichs eingeführt. Es gelang – nach dem Zurückschlagen der Konterrevolution im Bürgerkrieg – mit der Gründung der UdSSR der Aufbau eines realen Gegenentwurfs zum Elend des Kapitalismus.

An seinen Worten und Taten halten wir heute fest. Lenin lebt in unserem Kampf weiter!