Rede zur Hanaudemo am 19.02.2024

„Mein Opa wurde im KZ vergast, meine Tochter in Hanau erschossen“ sagte Filip Goman, der Vater der ermordeten Mercedes Kierpacz. Vor vier Jahren, am 19. Februar 2020, ermordete ein Rechtsterrorist in Hanau 9 Menschen. Seit vier Jahren fordern die Angehörigen Aufklärung und Konsequenzen. Seit vier Jahren ist kaum etwas passiert, was in diese Richtung geht. Stattdessen erleben wir aktuell eine neue Welle an rassistischer Hetze. 

Hanau war kein Einzelfall eines psychisch verwirrten Täters. Hanau ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen rassistischen Diskurses in den Medien und der Gesellschaft, denn seit Jahren werden mit den Stichworten wie Shishabars und Clankriminalität Migrant:innen stigmatisiert und kriminalisiert. Konservative und Rechte sind dabei die lautesten Stimmen, aber auch die sogenannten Parteien der Mitte hetzen fleißig mit und rüsten währendessen die Polizei auf, die den staatlichen Rassismus in die Tat umsetzt.
Gleichzeitig gibt es allen Grund zur Sorge angesichts der Umfragehochs der AfD und den neusten Erkenntnissen über das Treffen von Unternehmern, AfD-Funktionären, Mitgliedern der Werte-Union und Führungsfiguren aus faschistischen Organisationen. Die Nachrichten über „Remigration“ von migrantischen Menschen, ob mit oder ohne deutscher Staatsbürgerschaft, in ihre vermeintlichen Herkunftsländer, ist nichts anderes als die Forderung nach gewaltsamer Deportation und ethnischer Säuberung von Millionen Menschen. 

SPD, Grüne und Co. zeigen sich entsetzt und inszenieren sich aktuell als Kämpfer:innen gegen Rechts, aber das ist pure Heuchelei. Es sind diese Parteien der sogenannten „bürgerlichen Mitte“, die aktiv AfD Forderungen umsetzen – aber mit den berühmten „Bauchschmerzen“. Schnell hat man vergessen, dass Olaf Scholz vor wenigen Monaten noch „Abschiebungen im großen Stil“ und eine “neue Härte in der Flüchtlingspolitik” ankündigte. Oder dass die grünen Minister:innen Habeck und Baerbock deutsche Waffen in alle Welt liefern, die für Millionen Menschen Tod oder Flucht bedeuten. Und auch Christian Lindner von der FDP hetzt immer wieder gegen angeblich “faule” Arbeitslose und Geflüchtete. 

Dass jedes Jahr tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken oder durch deutsche Waffen den Tod erleiden, schert die angeblichen Menschenfreunde der bürgerlichen Parteien nicht. Es ist auch die Ampel-Regierung, die die Kriegsverbrechen der rechtsradikalen israelischen Regierung und ihre Unterdrückung der Palästinenser:innen unterstützt, während sie die Proteste von Palästinenser:innen kriminalisiert und pauschal als Terrorunterstützer:innen diffamiert. 

Diese Doppelmoral zeigt: Es reicht nicht nur gegen Rechts zu sein und sich moralisch über Rassismus zu empören. Wir müssen die Gründe für den Rechtsruck verstehen und seine Wurzeln bekämpfen. Die Ampel betreibt die größte Aufrüstungskampagne seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und steckt über hundert Milliarden in die Bundeswehr, während bei den Ärmsten gekürzt wird und wir uns wegen der Inflation kaum noch das Nötigste leisten können. Es ist unter anderem diese Verarmungspolitik der regierenden Parteien und die zunehmenden Klassengegensätze zwischen Arm und Reich, die die Unzufriedenheit schafft, von der die AfD profitiert und auf dessen Nährboden der Rassismus gedeiht. 

Die Forderung nach Aufklärung der Morde in Hanau sind verständlich und sie sind richtig. Es zeigt sich aber in aller Deutlichkeit, dass diese Aufklärung nicht zu erwarten ist. Nicht weil die Behörden dazu nicht in der Lage wären, sondern weil sie daran schlicht kein Interesse haben. Sie haben kein Interesse die Arbeitsweise der Polizei aufzuklären. Sie haben kein Interesse, den Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem zu benennen. Sie haben kein Interesse daran, dass sich Hanau nicht wiederholt. Im Kampf gegen Rassismus und gegen Rechts ist auf diesen Staat kein Verlass, denn er ist Teil des Problems, wie wir spätestens seit den NSU-Morden und den unzähligen Nazi-Skandalen in der Polizei und der Bundeswehr wissen.

Und auch in Hanau war der Attentäter polizeibekannter Rechtsradikaler, trotzdem durfte er legal eine Waffe besitzen. Der Notausgang am Tatort war verschlossen, weil die Polizei es anordnete, um in der Shisha-Bar leichter Razzien durchführen zu können. 13 von 19 rechtsradikalen Polizisten aus einer aufgelösten SEK-Einheit waren in der Tatnacht im Einsatz. Viele verzweifelte Anrufe der Opfer kamen bei der Polizei am Tag des Anschlags gar nicht erst durch. 

Deswegen liegt es an uns. Lasst uns unsere Trauer in Wut und Aktion verwandeln.
Lasst uns heute auf die Straße gehen, um rassistisch motivierte Anschläge und Polizeigewalt sichtbar zu machen und deutlich zu machen, dass wir in unserem jetzigen System nicht sicher sind. Lassen wir uns nicht von Rassismus spalten. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern und Kulturen, sondern zwischen Arm und Reich. Denn die wirklich gefährlichen Familienclans und Sozialschmarotzer sitzen in den Vorstandsetagen und sind Eigentümer der größten Konzerne in diesem Land. Sie heißen Quandt, Henkel und Co. und bereichern sich an unserer Arbeit, hinterziehen Steuern in Milliardenhöhe und bestimmen die herrschende Politik. Lasst uns gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung, Krieg und Armut kämpfen. Für eine Gesellschaft, in der Rassismus nicht die Normalität ist, in der wir nicht auf den nächsten Anschlag warten, sondern sicher gemeinsam leben können.